Autorin: Mag. Dr. Ursula Haas-Kotzegger – wissenschaftliche Expertin für Branding und Strategisches Marketing
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Im Normalfall vermeiden Unternehmen und Marken politische Kontroversen und beziehen selten Stellung. Sie wollen ihre vielfältigen Stakeholder nicht gegen sich aufbringen, denn: wer beißt schon die Hand, die einen füttert? Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich ein neuer Trend abzeichnet – Brand Activism. Wie es aussieht, ist dieser gekommen, um zu bleiben (e.g. Korschun, 2021; Wannow & Haupt, 2022).
Brand Activism geht über die Unterstützung von sozialen Aktivitäten hinaus und befasst sich mit den großen und wichtigen Problemen unserer Gesellschaft. Unternehmen bemühen sich dabei, soziale, politische und wirtschaftliche Reformen zu fördern und Verbesserungen in der Gesellschaft voranzutreiben (Sarkar & Kotler, 2021).
Was Brand Activism von Lobbying und CSR unterscheidet ist, dass sich einerseits das Unternehmen öffentlich zu seiner Position äußert und es andererseits um mehr geht als „einen Beitrag zu leisten“. Das Ziel von Brand Activism ist eine proaktive Veränderung der öffentlichen Meinung, indem Kund*innen und andere Unternehmen öffentlich dazu aufgefordert werden, den Standpunkt zu teilen und mitzumachen (Korschun, 2021).
Die ersten Anzeichen dazu gab es schon in den 1980ern und 1990ern, als z. B. das Modeunternehmen Benetton offen gegen die Mafia in Italien, Krieg oder Rassismus auftrat. Diese Kampagnen erzeugten viel Aufregung und wurden kontrovers diskutiert, z. B. das blutverschmierte T-Shirt eines im Bosnienkrieg erschossenen Kroaten, das Benetton auf seiner Plakatkampagne abbildete („Benetton-Schockwerbung“, 2015). Auch Patagonia, eine Outdoor-Marke, führt schon seit Jahren einen sehr aktiven Kampf gegen den Klimawandel und legt sich auch immer wieder mit Politikern an – zuletzt Ex-US-Präsident Donald Trump (Patagonia: Modemarke vernäht eindeutiges Statement zu den US-Wahlen | STERN. de, o. J.).
Benetton und Patagonia sind Vorreiter des Brand Activism. Doch nun hat dieser Trend auch den Mainstream erreicht. Immer mehr Marken greifen sozio-politische Themen in ihrer Kommunikation auf. Global geführte Debatten, wie etwa um LGBTQ-Rechte, „black lives matter“ oder die Impfung gegen COVID-19 haben viele Marken dazu veranlasst, ihre Meinung offen zu äußern.
So startet etwa die Wirtschaftskammer, der Handelsverband und die Agentur Jung von Matt/Donau gemeinsam mit über 80 österreichischen Unternehmen (u.a. Bipa, Spar, Hofer) 2021 eine Pro-Impf-Kampagne (Österreichische Firmen trommeln mit Kampagne #ZusammenGegenCorona für die Impfung – Werbung – derStandard.at › Etat, o. J.).
Ein wichtiger Grund liegt an den gesteigerten Erwartungen ihrer Zielgruppe. Es reicht nicht mehr aus, sich durch Faktoren wie Qualität oder Preis von der Konkurrenz abzuheben. Konsumenten*innen, vor allem jene aus der sehr kaufkräftigen Schicht der Millennials, erwarten mehr – sie wollen nicht nur wissen, was wird verkauft, sondern auch, wer verkauft es und warum. Werte, Ethik und Verantwortung rücken in den Vordergrund.
Der Aktivismus von Marken wird von Konsument*innen nicht immer belohnt. Stellung beziehen bedeutet meist auch, eine andere Seite damit vor den Kopf zu stoßen und Ablehnung zu ernten… wie einige Marken gerade auch am Beispiel der COVID-19 Impfung erfahren mussten.
Zudem sind Unternehmen auch vermehrt mit Skepsis und Misstrauen von Konsument*innen konfrontiert, die hinterfragen, ob eine Aktivität nur dem Umsatzzuwachs dient oder auch wirklich ein gesellschaftlicher Nutzen dahintersteckt (Shetty et al., 2019; Vredenburg et al., 2020). Wenn Markenzweck, Werte und Unternehmenspraxis nicht mit tatsächlichem Handeln einhergehen und der Grund für Aktivismus ist, einem Markttrend zu folgen, statt authentisch zu handeln, dann bezeichnet man dies als Woke Washing – in Anlehnung an Green Washing (Vredenburg et al., 2020).
Um als authentische Marke wahrgenommen zu werden, ist es wichtig, dass Unternehmen ihre Ziele und Werte mit ihren sozio-politischen Aktivitäten in Einklang bringen – im Sinne von „walk the talk“.
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Benetton-Schockwerbung: Fotograf Oliviero Toscani. (2015, Juni 29). Der Spiegel. https://www.spiegel.de/fotostrecke/benetton-schockwerbung-fotograf-oliviero-toscani-fotostrecke-127838.html
Korschun, D. (2021). Brand Activism Is Here to Stay: Here’s Why. NIM Marketing Intelligence Review, 13(2), 10–17. https://doi.org/10.2478/nimmir-2021-0011
Österreichische Firmen trommeln mit Kampagne #ZusammenGegenCorona für die Impfung—Werbung—DerStandard.at › Etat. (o. J.). Abgerufen 8. Mai 2022, von https://www.derstandard.at/story/2000132051949/oesterreichische-firmen-rollen-impfkampagnezusammengegencorona-aus
Patagonia: Modemarke vernäht eindeutiges Statement zu den US-Wahlen | STERN.de. (o. J.). Abgerufen 8. Mai 2022, von https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/patagonia–modemarke-vernaeht-eindeutiges-statement-zu-den-us-wahlen-9433210.html
Sarkar, C., & Kotler, P. (2021). Brand Activism: From Purpose to Action. Idea Bite Press.
Shetty, S., v, N., & Anand, K. (2019). Brand activism and millennials: An empirical investigation into the perception of millennials towards brand activism. Problems and Perspectives in Management, 17. https://doi.org/10.21511/ppm.17(4).2019.14
Vredenburg, J., Kapitan, S., Spry, A., & Kemper, J. A. (2020). Brands Taking a Stand: Authentic Brand Activism or Woke Washing? Journal of Public Policy & Marketing, 39(4), 444–460. https://doi.org/10.1177/0743915620947359
Wannow, S., & Haupt, M. (2022). When Brands Take a Stand: Navigating Emotional Reactions to Brand Activism. Marketing Review St. Gallen, 2, 44–51.
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